Ich habe ja wirklich ein Herz für grün lackierte Autos. Mein erster eigener fahrbarer Untersatz – übrigens auch ein Automobil aus Ingolstädter Produktion – war racinggrün lackiert und gerade sorgfältig ausgesuchte Grüntöne lassen aus meiner Sicht Autos ganz anders wirken. Egal ob es ein McLaren F1 oder ein Peugeot 205 ist.
Und umso erfreuter war ich über die jüngste Audi-Initiative, die Farbe Grün wieder salonfähig zu machen. Die Idee hatten zwar vor einiger Zeit auch die Herren von Daimler, doch so richtig steil ging die Außenwelt erst bei Sonomagrün von Audi. Und nun stehe ich vor unserem ebenso lackierten Audi RS 4 Avant und frage mich: warum?
Sonomagrün ist speziell
Nein, Sonomagrün und ich werden keine Freunde mehr. Da mögen noch so viele Tüftler am Farbmischer gesessen haben, sie haben meines Erachtens eine wichtige Komponente (nämlich Blau) vergessen und dafür zu viel Gelb reingeschüttet. So wirkt die Farbe aufdringlich grün, sieht zu sehr nach grüner Wiese aus und insgesamt fehlt ihr etwas die Eleganz. Innen, da gehen wir mit den grünen Ziernähten wieder voll d’accord, das sieht hochwertig und individuell aus.
Aber außen darf es gerne etwas anderes sein, bei der nämlich ansonsten fast vollkommenen Optik dieses Gefährts. Seine breit ausgestellten Kotflügel erinnern automobile Connaisseure gerne an Audis Sport Quattro oder an den Lancia Delta Integrale – die Front, nein, das ganze Auto wirkt flach und breit, das Heck mündet – wie es sein muss – in zwei armdicken Endrohren. Die (optionalen) 20-Zoll-Felgen stehen nahezu perfekt im Radhaus und so müssen wir festhalten: Cooler und gleichzeitig schicker geht es bei Audi momentan nicht.
Optionen, die keiner braucht?
Abgesehen von der Farbe macht der erste vorsichtige Blick auf die bereitgestellte Optionsliste Lust auf mehr: Das RS-Dynamikpaket inklusive Dynamiklenkung, Sportdifferential, verstellbarem Sportfahrwerk sowie der Anhebung auf 280 Km/h Spitzengeschwindigkeit zu 5.900 Euro ist hier vorrangig zu nennen. Zusätzlich soll die RS-Sportabgasanlage (1.200 Euro) das Fahrerlebnis “RS 4” noch nachhaltig beeinflussen – nicht immer zum positiven, so viel sei vorab verraten.
Aber nehmen wir doch erstmal Platz: die serienmäßigen RS-Sportsitze bieten einen sehr weiten Verstellbereich und passen sich somit sämtlichen Staturen nahezu perfekt an. Lediglich die etwas zu kurze Rückenlehne führt dazu, dass Großgewachsene gerne die Kopfstütze nach oben schieben möchten und daher der Rat möglicherweise doch zu den “normalen” Sportsitzen geht, die mit einer solchen Verstellmöglichkeit aufwarten können.
Von normalen Sitzen und billigen Schaltwippen
Das unten abgeflachte Multifunktionslenkrad liegt gut in der Hand, allerdings fühlen sich seine Schaltwippen recht billig an und werden dem selbst gesetzten Qualitätsanspruch nicht gerecht. Es gibt leider im Volkswagen-Konzern (außer bei Porsche) kein Lenkrad ganz ohne Knöpfe mehr – ich hätte es gern. Wer noch?
Wer hingegen Freude an hochauflösenden Displays hat, dürfte im RS 4-Testwagen seinen Frieden gefunden haben: das über alle Modellreihen hinweg nun bekannte Virtual Cockpit ist selbstverständlich auch hier verbaut, erschreckt uns ein wenig mit seinen rund eintausend verschiedenen Anzeigen und macht, wenn man nicht sämtliche Assistenzsysteme deaktiviert, erstmal nervös.
Kleiner Hinweis am Rande: es gibt den RS 4 auch noch mit den beiden herrlich analogen Rundinstrumenten. Deren Vorteile liegen auf der Hand: weniger Klimbim im Sichtfeld und 500 Euro gespart. Für die Displayfans gibt es ja weiterhin das Riesen-MMI, das leider nicht versenkbar über der Mittelkonsole thront.
Ein Gedicht mit sechs Zylindern
Doch nun genug gestänkert, ich werfe den 2,9-Liter großen V6-Biturbo einmal an. Der Motor ist ein alter Bekannter und verrichtet seine Dienste Konzernübergreifend auch bei Porsche. Antritt, Beschleunigungsvermögen und Durchzug sind in dieser Ausbaustufe über alle Zweifel erhaben. Das kann man in dieser Form auch für den RS 4 übernehmen.
Nach Druck auf den Startknopf grummelt der Audi wenig zornig vor sich hin, zeigt sich nahezu verhalten im Klangbild. Die ach so gepriesene RS-Sportabgasanlage überrascht: laut können andere besser, der Sound an sich wirkt außerdem etwas synthetisch und ist insgesamt – ob im Comfort- oder Dynamic-Modus – wenig überzeugend.
In Summe überzeugend ist aber der RS 4 als Gesamtpaket. Die normalerweise mit schnellen 63 genommene Autobahnauffahrt nehme ich erstmal lässig mit 89 km/h. Die vorzügliche Achtgang-Tiptronic registriert, dass ich es nun ein wenig dynamischer will und hält für den Kurvenausgang gleich Fahrstufe 3 parat. Der rechte Fuß fällt Richtung Bodenblech und 600 Newtonmeter ziehen die Fuhre aus der letzten Rechts mit einer derartigen Macht auf die lange unbeschränkte Gerade, dass es eine wahre Freud ist. Traktion? Ja. Kraft? Im Überfluss. Grip? Verdammt nochmal viel.
Übertreiben sollte man es dennoch nicht, denn ist einmal die Haftgrenze der Reifen erreicht, kann das vormals kontrollierbare Untersteuern recht abrupt in ein – gerade für Ungeübte – nahezu unkontrollierbares Taumeln des schicken Kombihecks übergehen. Doch in Summe bleibt es dabei: Was das RS-Badge querdynamisch aus einem so biederen A4 macht, ist wahrhaft beeindruckend. Längsdynamisch ebenfalls: ohne nennenswerte Verzögerungen geht es rauf auf Ü-240, der V6 powert und powert einfach weiter, als gäbe es kein Morgen.
Das Fahrwerk oder: Weniger ist mehr
Wer sich allerdings auf solche Hochgeschwindigkeitseskapaden einlässt, die beim heutigen Verkehrsaufkommen ohnehin nur noch nachts respektive am frühen Morgen machbar sind, sollte zuvor das adaptive Fahrwerk in den Comfort-Modus versetzt haben.
Ansonsten leidet der Rücken unter den harten Schlägen, die die sogenannten “Dämpfer” nur beim Sichtkontakt der Reifen mit einem Zigarettenstummel auf der Fahrbahn direkt an die Passagiere weiterreichen – so knüppelhart wird das Fahrwerk im Sport-Modus. Meine Wertung: nur auf topfebenen und schadlosen Streckenabschnitten fahrbar. Doch auch der Comfort-Modus kann den Spagat nicht ganz liefern, fühlt er sich auf schnell gefahrenen Autobahnetappen doch etwas zu schwammig an, um ein hundertprozentiges Sicherheitsgefühl zu bieten.
Gesucht: Emotionen
Jammern auf hohem Niveau? Vielleicht und doch gerechtfertigt, denn ich schreibe hier über einen Audi A4 zum Grundpreis von über 80.000 Euro. Und doch sind es nicht die kleinen Unzulänglichkeiten im Finish, die mich zwar durchaus stören, sich aber in der Regel durch eine durchdachte Konfiguration beheben lassen. Es ist vielmehr ein dickes Manko, das selbst nach zwei Wochen RS 4 dazu geführt hat, dass man nicht mit dem gewissen Lächeln auf den Lippen auf dieses Auto zugeht: die Seele, die Emotion. Der RS 4 hat sie nicht. Es ist ein unheimlich schnelles Auto, das sie im Entwicklungszentrum von Neckarsulm auf die vier Räder gestellt haben.
Es ist auch ein sehr perfektes Auto, das mit seinem Allradantrieb für sämtliche Wetterlagen gerüstet ist und dessen V6-Biturbo für fast alle Wünsche eine Antwort parat hält. Aber: er hat mich nicht gepackt. Er macht es mir zu leicht, schnell zu sein. Er filtert sämtliche Einflüsse der Umgebung, die für die Performance nachträglich sein könnten, weit von mir weg.
Ich spüre in der Lenkung keine Antriebseinflüsse des Allradsystems, fühle keine Verwindungen, ich falle nicht in ein Turboloch, das ich mit schnellem Schalten überwinden müsste, ich bemerke keine Schaltrucke, ich höre nicht einmal echten Sound, sondern schlecht komponierte Geräusche aus Musikboxen der Abgasanlage.
Fazit
Das klingt für ein versöhnliches Ende vielleicht zu hart, daher soll es das auch nicht sein. Und für 95 Prozent aller potentiellen RS 4-Fahrer werden diese Eindrücke nicht hilfreich sein, da jeder bei seinem Fahrzeug andere Prioritäten setzt und jeder andere Vorlieben hat. Wer seinen Fokus auf Performance legt, diese vielleicht noch mit der Praktikabilität eines vollwertigen Kombis verknüpft und außerdem ein Faible für Design hat, ist mit dem neuen Audi RS 4 Avant so gut bedient wie mit keinem anderen Auto – verdammt nah an der Perfektion also. Wer allerdings zusätzlich auf Emotionen und ein unverfälschtes Fahrerlebnis Wert legt, sollte sich besser einen RS4 der Baureihe B5 kaufen. Am besten natürlich in grüner Farbe.
Bilder: Audi