Ein klassischer Achtzylinder-Saugmotor mit satten 4,7-Litern Hubraum sowie Hinterradantrieb und: ein Zündschlüssel. So richtig zum Drehen. Wir wussten, dass wir nach dieser Tour die großen Maserati Coupés (GranTurismo) und Cabriolets (GranCabrio) vermissen würden. Denn ihre Zeit ist seit etwa vier Wochen abgelaufen. Es sind keine Bestellungen mehr möglich. Weder für Geld noch gute Worte.
Was nur den Schluss zulässt, dass sich die Modellreihe für Maserati nicht mehr lohnt, denn der Nachfolger Alfieri ist frühestens für das Jahr 2020 angekündigt worden. Aber man darf sagen: sie haben sie ja auch lange gebaut. Ganze elf Jahre lang durften GranTurismo und GranCabrio, im Großen und Ganzen unverändert, produziert werden. Solche Modellzyklen findet man sonst nur bei der SL-Klasse von Mercedes-Benz. Dennoch gab es einige Änderungen während der Bauzeit, auf die wir außerdem eingehen wollen, bevor wir uns unserer Abschiedstour widmen.
Modellzyklen wie einst bei Daimler
Präsentiert wurde der GranTurismo im heißen Sommer 2007 als Nachfolger des glücklichen Maserati Coupés (4200), war jedoch deutlich größer und zusätzlich komfortabler ausgerichtet. Technisch baugleich mit dem Quattroporte, leistete sein 4,2-Liter großer V8 zunächst 405 PS und leitete diese mittels einer herkömmlichen Sechsgang-Automatik an die Hinterachse. Ein Schaltgetriebe wie noch im Vorgänger-Coupé wurde nicht mehr angeboten. Weil viele Kunden die Fahrleistungen des nun deutlich schwereren GranTurismo kritisierten, schob man ein Jahr später den deutlich erstarkten GranTurismo S nach.
Er verfügte nunmehr über 4,7-Liter Hubraum, 440 PS und 490 anstelle von 460 Newtonmetern Drehmoment. Und doch war es ein anderes Detail, das den GranTurismo S zu einem gänzlich anderen Auto machte: das Getriebe. Für die S-Variante durften die Kunden nämlich zwischen der bekannten Automatik und einem automatisierten Schaltgetriebe (MC-Shift) wählen. Dieses ermöglichte dank Wegfall des leistungsraubenden Drehmomentwandlers ein deutlich spritzigeres Fahrerlebnis, auch wenn der Komfort aufgrund etwas ruppigerer Schaltvorgänge zu leiden hatte.
Das GranCabrio begeistert schon seit 2009
Wer ohnehin mehr Wert auf lässiges Cruisen legte und außerdem auf der Suche nach Ersatz für den 2007 eingestellten Spyder war, kam im Herbst 2009 endlich auf seine Kosten. Mit der Vorstellung des GranCabrio baute Maserati endlich wieder ein offenes Auto – und griff mit vier vollwertigen Sitzplätzen unter der klassischen Stoffmütze klar die Luxusliga unter den Cabriolets an. Da das GranCabrio nochmals schwerer war als der GranTurismo, durfte es von Anfang an lediglich über den 440 PS starken 4,7-Liter-V8 verfügen. Es war von Natur aus weniger auf Dynamik ausgelegt, sodass ein optionales MC-Shift-Getriebe nicht angeboten wurde.
Keinen Hehl aus seiner kompromisslos-dynamischen Abstimmung machte der 2011 präsentierte GranTurismo MC Stradale. Eine deutliche Gewichtsreduktion, auf Wunsch Schalensitze samt Sechspunktgurten, eine rennsport-ähnliche Fahrwerksabstimmung sowie eine umso schärfere Motor- und Getriebekonfiguration sorgten dafür, dass der MC Stradale im Vergleich zum GranTurismo S einen abermals größeren Schritt weg vom schweren, komfortablen Viersitzer machte und eindrucksvoll demonstrierte, wie wandlungsfähig die Modellreihe tatsächlich war.
Bis zum Ende keine Experimente
Einen eher komfortablen Cruiser haben wir uns für unsere Abschiedstour ausgesucht, auch wenn das “bianco metallizato” lackierte GranCabrio den Zusatz “Sport” trägt. Es gehört mit seinem nunmehr 460 PS starken 4,7-Liter-V8 zur letzten Ausbaustufe der Modellgeneration, trägt weiterhin die bekannte Sechsgangautomatik von ZF dahinter und leitet seine 520 Newtonmeter wie gehabt nur an die Hinterräder weiter. Ein Dreh am Zündschlüssel aber verrät uns, dass wir insgeheim die Achtzylinder-Sauger schon jetzt vermissen: der Klang des bei Ferrari entwickelten Motorenwerks geht durch Mark und Bein, auf leichte, wachrüttelnde Gasstöße reagiert das Triebwerk ohne erkennbare Verzögerung. Das Dach wird geöffnet, der Sportknopf gedrückt, jetzt kann das Wochenende kommen.
Was da passiert, wenn man den Sportknopf drückt, hat Jeremy Clarkson in einer Folge des beliebten TV-Formats “Top Gear” beschrieben, wie man es treffender nicht hätte beschreiben können: “it turns petrol into noise!”. Insbesondere im niedertourigen Bereich, böse Münder würden es als “Eisdielenbereich” betiteln, besticht das GranCabrio im Sportmodus mit einer außerordentlichen akustischen Präsenz, die selbst uns als gestandene Petrolheads zu der Frage bringt, ob die Italiener hier nicht zugunsten größerer Lautstärke die Grenzen der Legalität etwas anders interpretiert haben.
Andererseits: der Klang ist ein schöner Klang, ein ausgereifter, ausgearbeiteter Sound, der sowohl mit offenen, als auch mit geschlossenen Klappen durch eine immer andere Stimme besticht, in welchem Drehzahlbereich man sich auch aufhalten mag. Das ist toll und macht – gemeinsam mit den aus dem Vollen schöpfenden Schaltvorgängen des extrem sanft agierenden Automatikgetriebes – süchtig.
Toller Sound, gute Straßenlage
Da vergisst man gerne den Alltag auf einer kleinen abendlichen Tour rund um den eigenen Wohnort. Und man vergisst beinahe, wozu der Maserati trotz seines tollen Klangs und seines Charakters, der eindeutig mehr zum Cruisen animiert, wirklich in der Lage ist. Denn das, was passiert, wenn man den Dreizack etwas schneller um die gut ausgebauten Kurven im hessischen Hinterland wirft, ist immer noch beeindruckend. Trotz konventionellem Fahrwerk kaschiert das GranCabrio seine Pfunde mehr als gut, die Vorderachse reagiert sehr zackig und souverän auf Lenkbefehle.
Mit großem Vertrauen bewegt man den 1,9-Tonner ambitioniert und zügig, ohne das Gefühl zu haben, das Auto wäre mit schnellerer Gangart überfordert. Hier machen sich der lange Radstand und der weit hinten positionierte Motor positiv bemerkbar. Stoisch zieht der Maserati seine Bahn und lässt sich auch von schnellen Lastwechseln nicht aus der Ruhe bringen. Lediglich auf schlechten Straßen mag man bemängeln, dass es um die Verwindungssteife der Karosserie nicht allzu optimal bestellt ist.
Fazit
Nicht allzu optimal geeignet ist das GranCabrio derweil für die mehrtägige Tour gen Süden, wofür es dem Namen nach ja ansich wie geschaffen wäre. Denn obwohl die Windgeräusche auf der Autobahn bei geschlossenem Dach im mehr als niedrigen Bereich liegen und sich auch die Verbrauchswerte im Rahmen halten, kommt der Maserati nur als Urlaubsauto in Frage, wenn man die Abendgarderobe am Zielort erwirbt und dort auch lässt – denn als Kofferraum kann man das Heckabteil nicht bezeichnen. Wer mit so etwas umgehen kann, der konnte bis vor kurzem einen der letzten echten großen Maserati erwerben. Standesgemäß mit Achtzylinder-Sauger und Zündschlüssel. Er dürfte schon jetzt ein Klassiker sein.
Bilder: Maserati